Ok bin da

Eine Frau sitzt an einem blauen Tisch, rote Äpfel in einer Schale, ein Messer griffbreit daneben. Mit dem Arm stützt sie ihren Kopf ab, sie blickt die Betrachter*innen direkt an. Ist da Wut in ihrem Blick? Verzweiflung? Wen sieht sie an? Next: dieselbe Frau liegt umschlungen mit einer zweiten Frau auf einer rosa Decke. Ihre Haare sind schwarz, ihre Kleidung blau. Beide blicken in die gleiche Richtung. Wieder zu den Betrachter*innen des Bildes, oder steht da eine dritte Person außerhalb des Bildausschnitts? Wer beobachtet diese intime Szene? Ein drittes Bild: wieder diese Frau, diesmal hat sie ihre Arme eng um den Hals eines Mannes gelegt. Er erwidert die Umarmung nicht, seine Arme hängen schlaff am Körper herunter, den Blick starr in die Ferne gerichtet. Sie blickt wieder direkt in die Kamera. Nur, dass es Ölmalereien sind, an denen die Künstlerin Larissa Rosa Lackner in einer nicht endenden Serie unter dem Namen ok bin da seit Dezember 2021 arbeitet. Bunte Flächen, dick aufgetragene satte Farben, der Druck der Ölpastell Sticks ist deutlich zu erkennen, keine Schatten, wenig Details. Im Mittelpunkt steht immer diese Frau. Sie ist manchmal allein auf den Bildern zu sehen, manchmal zu zweit, immer in Innenräumen. Die einzigen Anzeichen für eine Außenwelt geben mal ein Fenster oder ein Laptop, der in einer Ecke steht, oder ein Handy, das sie in der Hand hält. Es sind Alltagsszenen, von denen Larissa Rosa Lackner erzählt, die erschlagend wirken können. Da versucht die Mutter ihr kleines Kind zu halten, dessen Gewicht untragbar scheint, da steht sie mit ihrem Partner im Badezimmer, sie kämmt sich die Haare, er putzt sich die Zähne, sie blicken in denselben Spiegel. In ihren Bildern wird nicht gesprochen. Lackners Selbstportraits strahlen eine Dringlichkeit aus, vielleicht einen Wunsch nach Kommunikation? Diese Szenen haben kein Anfang und kein Ende, es ist ein Reinwurf in das Leben dieser Frau, das mal berührend innig, mal erschreckend einsam zu sein scheint. Eine Distanz aber bleibt, sowohl in den Bildern, als auch für die außen stehenden Betrachter*innen.

Larissa Rosa Lackner sucht sich für ihre künstlerischen Arbeiten immer neue Medien: auf Fotografie und Video (Heide, 2019), Performance (Swipe, 2015) und Installation (Das Zelt, 2015) folgt nun mit Du mir auch (2021) und ok bin da (ab 2022) Malerei. Eine Sache verbindet ihre Arbeiten allerdings: Im Mittelpunkt derer steht meistens eine Frau. Mit ihr spürt Larissa Rosa Lackner Alltagsrealitäten, sozialen Milieus, ökonomischen, politischen und historischen Zusammenhängen und Zwängen nach. Sie versucht das Alleinsein mit sich selbst und mit anderen in Zwischenmenschlichen Beziehungen einzufangen. Dabei hinterfragt Lackner auch die Prozesse und Funktionen des individuellen und kollektiven Erinnerns. Am Ende sind sie meist auf sich selbst zurückgeworfen. Diese Vereinzelung unterstreichen auch das Vorkommen der sozialen Medien in Lackners Bildern. Die Sehnsucht nach einem Safe Space, den wir uns in unseren sozialen Netzwerken und auch zu Hause bauen, um sicher vor der Außenwelt zu sein. Aber sind wir mit uns allein wirklich sicherer als in Gesellschaft und Gemeinschaft?

Aus der Fotografie kommend wählt Larissa Rosa Lackner die Ausschnitte und Perspektiven mit dem Blick einer Fotografin. Auch das serielle Arbeiten kennt sie aus Fotografie und Film: Die Bilder können einzeln für sich stehen, aber erst in der Serie ergeben sie ein größeres Narrativ. Doch in der Fotografie ist sie auf die Körper anderer Personen angewiesen. Durch ihre Selbstdarstellung kann sie nun grausamer mit ihren Objekten umgehen, denn sie sind sie selbst. Die Übertragung in die Malerei schenkt ihr dabei die nötige Distanz, hier kann sie die Grenzen zwischen Realität und Fiktion aufweichen. Trotz, oder gerade wegen der alltäglichen Szenen, zeigen die Malereien ein Abbild unserer Gesellschaft: Vereinzelung, Individualisierung, Selbstbeschäftigung. Zwar haben die Betrachter*innen die Szenen vielleicht nicht selbst erlebt, aber sie evozieren bekannte Gefühle dazu. Unterdrückte Emotionen, Nicht-Kommunikation, Missverstehen, die Sehnsucht nach Liebe. Es liegt immer etwas Unausgesprochenes in der Luft.

Die Künstlerin malt ihre Bilder schnell, beim Malen erlaubt sie sich nicht viel Zeit zum Nachdenken, dadurch werden sie unmittelbar. Durch das Arbeiten mit dicken Ölpastell Sticks, die beim Malen wenig Details zulassen, bleibt Manches, wie ein Gesichtsausdruck, Zufall.
Die Farben knallen. Was auf den ersten Blick schön und fröhlich wirkt, ist es auf den zweiten vielleicht nicht. Sie bilden einen Bruch, einen Widerspruch zur Abbildung. Die Farben laden die Betrachter*innen dazu ein, sich genauer mit der Szene zu befassen. Wie eine Patchwork-Decke fügen sich dann die unterschiedlichen Geschichten zusammen: anfangs scheint alles nur bunt, beim genaueren Hinsehen erst sind die Muster zu erkennen. Die kleinen Szenen des Alltags ergeben ein größeres Bild: Beziehungen, Isolation, Care, Intimität, Sexualität, Geborgenheit, Distanz: das Private wird dadurch politisch.

Text: Hannah del Mestre